Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

„Haben wir ein mitfühlendes Herz?“

Bischof Dr. Franz Jung feiert Liturgie vom Leiden und Sterben Jesu im Kiliansdom – „Kirche muss sich der eigenen Schuldgeschichte stellen“ – Bischof: In sozialen Medien werden Menschen schnell pauschal verurteilt

Würzburg (POW) „Existenzielle Scham ist unerträglich. Deshalb tauschen Menschen das Gefühl der Scham aus gegen andere Gefühle. Scham wird gegen Aggression ausgetauscht.“ Auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine erscheine als ein einziger großer Kompensationsversuch. Die einstige Weltmacht Russland sehe sich gedemütigt und versuche verzweifelt, ihre Ehre wiederherzustellen durch die Vernichtung anderer, vorzugsweise Schwächerer, die ihr nichts entgegenzusetzen haben. Das hat Bischof Dr. Franz Jung bei der Feier der Liturgie vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag, 15. April, im Würzburger Kiliansdom betont. Die Feier zur Todesstunde Jesu wurde live auf TV Mainfranken und im Internet übertragen.

Im ganzen Bistum Würzburg gedachten die Gläubigen des Leidens und Sterbens Jesu Christi. Die traditionelle Karfreitagsprozession in Lohr am Main konnte wegen der Pandemie nicht in gewohnter Form stattfinden. Stationen der Prozession wurden in Kirchen und öffentlichen Gebäuden der Stadt im Landkreis Main-Spessart ausgestellt. Der Karfreitag zählt mit dem Gründonnerstag und dem Karsamstag zu den gesetzlich geschützten „stillen Tagen“, für die Katholiken ist er gebotener Fasten- und Abstinenztag. Die über 3000 Glocken im Bistum Würzburg sind seit Gründonnerstagabend verstummt und werden in der Nacht zum Ostersonntag wieder erklingen.

In seiner Predigt nannte Bischof Jung das Leiden und Sterben Jesu „eine einzige große Beschämung“. Immer wieder überkämen die Leser und Hörer der Passion Gefühle der Beklemmung. Sobald einmal die Dynamik entfesselt sei, kenne die Beschämung scheinbar keine Grenzen mehr. Das müsse Jesus in aller Härte erfahren: Jesus werde bei seiner Gefangennahme von einem aus dem engsten Kreis verraten. Man ohrfeige ihn, um ihn mundtot zu machen. Wie eine Spielfigur werde er zwischen dem Hohepriester und Pontius Pilatus hin- und hergeschoben. „Der traurige Höhepunkt ist erreicht, wenn es den Peinigern gelingt, alle Verantwortung für das grausame Spiel beim Beschämten selbst zu verorten. Die Titulierung Jesu als ‚König der Juden' dient genau diesem Ziel.“ Demütigung sei schlimmer als körperlicher Schmerz, sagte der Bischof. Jesu Jünger entzögen sich durch Flucht der Scham. Für Judas werde die Scham gar so groß, dass er nur noch im Suizid einen Ausweg sehe.

Deutliche Kritik übte der Bischof am Verhalten vieler Menschen in den sozialen Netzwerken. „Die Grenze zwischen einer angezeigten sachlichen Diskussion und dem Angriff auf die Person wird dabei schnell überschritten. Da die sozialen Netzwerke zur Differenzierung kaum geeignet sind, laden sie zu pauschalen Verurteilungen geradezu ein.“

Die Kirche kann laut Bischof Jung im Blick auf das Thema Scham Karfreitag nur feiern, wenn sie sich der eigenen Schuldgeschichte stelle. „Menschen wurden bloßgestellt wegen konfessionsverbindenden Ehen. Uneheliche Kinder wurden als minderwertig betrachtet und herabwürdigend behandelt. Sexuelle Orientierung von Menschen wurde zum Anlass von Ausgrenzung und Beschämung. Frauen erfuhren Demütigung und Ausgrenzung.“ In „unerträglicher Weise“ konfrontiere schließlich auch der Missbrauchsskandal mit dem Gefühl der Scham und des Beschämt-Werdens. „Aus Berichten von Betroffenen weiß ich, wie sie sich durch die Übergriffe im Innersten beschmutzt und beschämt fühlen.“ Diese Seite der Kirche erfülle nicht nur mit Scham, sondern zwinge auch dazu, nachzudenken, wie sich ein solches Geschehen künftig verhindern lasse.

Das Bekenntnis „Im Kreuz ist Heil, im Kreuz ist Leben, im Kreuz ist Hoffnung“ sei gewagt, verweise es doch auf die Demütigung des Menschen Jesus Christus. Zugleich stehe es dafür, dass Jesus sich trotz aller Versuche, ihm die Würde zu rauben, nicht beugen lasse. „Jesus weiß sich gerade im Leiden von der Liebe seines himmlischen Vaters gehalten. Das gibt ihm die Kraft, die zugefügte Schmach zu ertragen. Im großen Tausch der Gefühle tauscht er die erlittene Beschämung nicht in Hass, sondern in Liebe.“ So werde das Kreuz zum Zeichen des Unheils und des Heils zugleich, erklärte der Bischof. „Das enthüllte Kreuz fragt uns auch, ob wir ein mitfühlendes Herz haben, das den Schmerz nachempfinden kann, der dem Herrn zugefügt wurde und in ihm allen leidenden Schwestern und Brüdern weltweit.“

Bei den sogenannten Großen Fürbitten des Karfreitags beteten die Gläubigen für die heilige Kirche, für den Papst, für alle Stände der Kirche, für die Taufbewerber, für die Einheit der Christen, für die Juden, für alle Menschen, die nicht an Christus glauben, für alle Menschen, die nicht an Gott glauben, für die Regierenden und für alle Not leidenden Menschen. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine wurde zudem eine zusätzliche Fürbitte eingefügt für alle Menschen in der Ukraine und in allen Kriegsgebieten der Erde, für alle, die vor der Gewalt geflohen sind, wie auch für alle, die mit ihrem Leben für die Abwehr des Feindes und den Schutz der Schwachen und Verfolgten einstehen. Bei der Kreuzverehrung, die vom Bischof und dem Domkapitel angeführt wurde, wurde das Kreuz enthüllt, den Gläubigen gezeigt und in stillem Gebet verehrt. Die Würzburger Domsingknaben unter der Leitung von Domkapellmeister Professor Christian Schmid sangen die „Johannespassion op. 18“ von Alois Maria Müller, „Also hat Gott die Welt geliebt“ von Heinrich Schütz, „Popule meus“ von Tomas Luis de Victoria sowie einen Gregorianischen Choral.

Am Abend zuvor hatte Bischof Jung die „Drei österlichen Tage vom Leiden und Sterben, von der Grabesruhe und der Auferstehung des Herrn“ mit der Feier vom Letzten Abendmahl im Kiliansdom eröffnet.

Höhepunkt der Feier der drei österlichen Tage und des gesamten Kirchenjahrs ist die Osternacht. Bischof Jung feiert sie am Samstag, 16. April, um 21.30 Uhr im Dom. Die Osterkerze wird in diesem Jahr im Dom entzündet. Danach singt ein Diakon das sogenannte Exsultet, das Lob auf die Osterkerze. Bei den Lesungen wird an die Heilstaten Gottes seit Erschaffung der Welt erinnert. Im Zentrum der alttestamentlichen Texte steht der Durchzug durch das Rote Meer. Beim Gloria erklingen wieder die Glocken, und Orgelmusik setzt ein. Die neutestamentliche Lesung aus dem Römerbrief weist auf das neue Leben der Getauften durch die Auferstehung Jesu hin. Im Evangelium mit dem Halleluja-Ruf wird die Botschaft vom leeren Grab verkündet – in diesem Jahr, wie sie der Evangelist Lukas berichtet. Tauf- und Eucharistiefeier sind weitere Teile dieser Nachtfeier, der „Mutter aller Vigilien“. Sie wird live auf TV Mainfranken sowie im Internet übertragen.

Bischof Jung feiert das Pontifikalamt am Ostersonntag, 17. April, um 10 Uhr im Kiliansdom. Es wird begleitet vom Würzburger Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Schmid mit der „Messe in G, D 167“ von Franz Schubert und dem „Hallelujah“ aus dem „Messias“ von Georg Friedrich Händel. Zur Pontifikalvesper mit Bischof Jung um 17 Uhr singt die Schola Cantorum. Beim Gottesdienst am Ostermontag, 18. April, um 10 Uhr im Dom mit Generalvikar Dr. Jürgen Vorndran singt „Vox anima“ die Choralmesse I „Lux et origo“ sowie ein Choralproprium. Diese Feier wird von Bibel TV live ausgestrahlt.

An Ostern feiern die Christen das Hochfest der Auferstehung Jesu Christi. Es ist das höchste Fest der Christenheit. Seine Wurzeln liegen im jüdischen Passah-(Pessach-)Fest. Ostern wird am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert. In der frühchristlichen Zeit war die Osternacht die große Taufnacht der Kirche. In der katholischen Kirche segnet der Priester in der Osternacht das Taufwasser für das Jahr. Die Gläubigen nehmen das Wasser mit nach Hause, es soll sie und ihre Häuser vor Unheil schützen. Weiter werden vielerorts Speisen wie Ostergebäcke, Schinken und Eier gesegnet. Mit dem Osterfest beginnt die 50-tägige Osterzeit, die am Pfingstfest endet.

mh (POW)

Weitere Bilder